Andreas Mattig |
Dr. oec. et lic. rer. publ. HSG,
Präsident des Verwaltungsrats der Mattig Management Partners, einer unabhängigen Unternehmensberatung, die gemeinsam mit ihren Kunden nach- haltige Strategien zur Kostenoptimierung und Ertragssteigerung entwickelt. |
Wechselkurs-Achterbahnfahrt |
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Währungsschwankungen sind in der grenzüberschreitenden Beschaffung bestimmt nichts Neues mehr. Dem ständigen Auf und Ab in der Vergangenheit kann denn auch mit zahlreichen Antworten begegnet werden: So hat sich das «Währungshedging » als relativ teure, aber einfache Antwort auf Währungsschwankungen für kurzfristige Absicherungen etabliert, während mit Global Sourcing operative Ansätze zur Anpassung an langfristige Trends umgesetzt werden. Effektive operative Lösungsansätze für starke und kurzfristige Schwankungen wurden bisher aber kaum diskutiert. Eine Flexibilisierung im Rahmen von internationalen Sourcing Netzen eröffnet hier erfolgsversprechende Möglichkeiten.
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Nach einer längeren Phase, die durch Nachrichten über Finanz- und Wirtschaftskrisen geprägt war, zeichneten sich 2010 wieder erste Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung ab. Die Experten des Staatssekretariats für Wirtschaft «seco» zogen für das laufende Jahr bereits eine positive Bilanz und sehen die Schweiz – trotz mittelfristiger Eintrübung – auch 2011 auf einem grundsätzlich stabilen Kurs. Kaum klingt jedoch die Finanz- und Wirtschaftskrise ab, zeichnet sich bereits die nächste Gefahr ab: Die Währungsturbulenzen haben 2010 vielen Schweizer Firmen – insbesondere im Maschinen- und Anlagebau – bereits einen Vorgeschmack geliefert.
Besonders ärgerlich ist: Die Euro- Schuldenkrise bremst die Erholung der Schweizer Wirtschaft. Experten gehen davon aus, dass zahlreiche Länder (namentlich Deutschland, Österreich und Italien) spätestens 2011 ihre Anstrengungen zur Verringerung der hohen Staatsdefizite weiter verstärken müssen. Doch eine restriktivere Finanzpolitik wird sich direkt auf die Nachfrage auswirken. Unsichere KursentwicklungenNeben den wirtschaftlich motivierten Wechselkursveränderungen scheinen nun vermehrt auch politische Elemente zu weiteren Störfaktoren zu werden. Die Rede ist bereits von «Währungskriegen». Wie soll man sich in einem kleinen, exportorientierten Land wie der Schweiz in einer solchen Situation verhalten? Für hiesige Industrieunternehmen, die in den vergangenen Jahren unter einer der schwersten Rezessionen der Nachkriegszeit zu leiden hatten, sind die Währungskosten und die Unsicherheit bezüglich der Kursentwicklungen eine grosse Herausforderung. Viele Firmen kämpfen noch immer mit den Folgen des Krisenjahrs 2009; der operative Handlungsspielraum ist kurzfristig begrenzt. Weitere starke Wechselkursschwankungen könnten die Bilanz erneut verhageln. Aber genau solche neuen Schwankungen zeichnen sich ab! Viele Marktbeobachter rechnen damit, dass der Franken auch 2011 tendenziell noch stärker wird und der US-Dollar gegenüber dem Euro weiter zulegt. Gleichzeitig stehen auch asiatische Währungen in der aktuellen Wachstumsregion Nummer 1 unter Beobachtung. Gefährlich ist dabei, dass sowohl Ausmass als auch Geschwindigkeit völlig offen sind und politische Interventionen die Kurse zum Teil kurzfristig sogar in die Gegenrichtung bewegen können. Vor diesem Hintergrund sind eine Standortbestimmung und eine Betrachtung des «Antwortarsenals» sinnvoll. |
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Viele Marktbeobachter rechnen damit, dass der Franken auch 2011 tendenziell noch stärker wird und der US-Dollar gegenüber dem Euro weiter zulegt. Gleichzeitig stehen auch asiatische Währungen in der in der aktuellen Wachstumsregion Nummer 1 unter Beobachtung.
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Welche Sicherungsstrategie wählen?Traditionelle Sicherungsstrategien zielen darauf ab, sich einfach finanziell gegen Währungsschwankungen abzusichern. Dies ist zwar oft relativ teuer und hat sich in der Vergangenheit in vielen Fällen über einen ganzen Zyklus hinweg auch nur bedingt bezahlt gemacht. Trotzdem ist es nach wie vor jene Methode, die am einfachsten und schnellsten umsetzbar ist und die keine grossen operativen Eingriffe bedingt. Die klassische Variante dieser finanziellen Absicherung ist das kurzfristige, eventuell revolvierende Währungs-Hedging. Parallel dazu gibt es das eher auf langfristigere Geschäftsbeziehungen ausgerichtete «Natural Hedging»: Der Einkauf wird einfach vermehrt in den Exportwährungen getätigt, um die Währungskosten für Exportgüter zu einem grossen Teil aufzufangen. Hat ein Unternehmen z.B. viele Kunden im Euroraum, sollte der Einkauf versuchen, in gleichem Masse im Euroraum zu beschaffen. Damit können Nachteile im Einkauf durch Vorteile im Vertrieb (und umgekehrt) ausgeglichen werden. Natural Hedging ist für viele Unternehmen der mit Abstand wirkungsvollste Hebel zur Reduzierung von Währungskursrisiken. Eine spezielle Ausprägung dieses Natural Hedging hat sich in der Beschaffungsindustrie unter dem Begriff «Global Sourcing» etabliert. Im Rahmen eines Global- Sourcing-Konzepts nimmt eine kluge Einkaufsstrategie nicht mehr nur Absicherungen vor, sondern verändert die Wertschöpfungs- und Beschaffungskonzepte fundamental. Bei einem Global Sourcing versucht eine Firma nicht nur die Währungseffekte zu minimieren, sondern zusätzlich auch international Produktivitäts- und Lohnkostenvorteile zu nutzen. Gerade mit Blick auf langfristige Verschiebungen sowie mit Blick auf Märkte, die in Dollar oder Euro arbeiten, jedoch keine US-amerikanische oder deutsche Kostenstrukturen haben, bietet sich ein solcher Global- Sourcing-Ansatz an. Politik beschleunigt Wechselkurs-AchterbahnfahrtNeben langfristiger Anpassung an dauerhafte Trends birgt die aktuelle Situation eine ganz spezielle Herausforderung: Die politische Einflussnahme, gepaart mit den ökonomisch fundierten Kursbewegungen, dürfte in den nächsten Jahren zu häufigeren und grösseren Schwankungen führen. D.h. Wechselkursveränderungen können bedeutend schneller kommen, gehen und ausschlagen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Diesem Trend lässt sich mit Hedging oder mit einer langfristigen Global- Sourcing-Strategie nur begrenzt begegnen. Einerseits sind die Bewegungen zu unerwartet, was die Absicherungskosten in die Höhe treibt. Anderseits ist es schwieriger, langfristige Global-Sourcing-Strategien umzusetzen, da sich Vor- und Nachteile in den Währungen sowie Nachfragezyklen sehr viel schneller geografisch verschieben können. Der rasche Fall und das (fast noch raschere) Anziehen der Automobilnachfrage in Asien war hier ein typisches und für die Beteiligten vor allem empfindlich spürbares Beispiel. |
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Die äusserst unangenehme Wechselkurs-Achterbahnfahrt in der Beschaffung lässt sich mittels Flexibilisierung im Rahmen von internationalen Sourcing-Netzen stoppen.
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Flexibilisierung als erfolgsversprechende LösungEin Lösungsansatz kann unter dieser Voraussetzung in der Flexibilisierung der (globalen) Sourcing-Prozesse liegen. Bei der Anwendung von «Sourcing-Netzen» werden die Vorteile des Global Sourcing zwar genutzt, ohne jedoch selber eine allzu starke Abhängigkeit gegenüber Lieferanten zu entwickeln. In einem Sourcing-Netz wird in einem ersten Schritt ein regionales Netzwerk von sich konkurrierenden Zulieferern aufgebaut. Dann wird die Beschaffung regional konzentriert, um flexibel – je nach Kapazitätsauslastung – einzukaufen. Neben einem günstigeren Preis ergeben sich weitere Vorteile: Die Durchlaufzeiten (Planung, Realisierung, Inbetriebnahme und Produktionsbeginn) einer zu beschaffenden Komponente lassen sich verkürzen, während gleichzeitig das Risiko von Qualitätsabweichungen minimiert wird. Unzureichende Leistung bei einem Teil-Lieferanten kann im Netz sofort ersetzt werden. |
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Bei der Anwendung von «Sourcing Netzen» werden die Vorteile des Global Sourcing zwar genutzt, ohne jedoch selber eine allzu starke Abhängigkeit gegenüber einzelnen Lieferanten zu entwickeln.
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Risiken abschätzen, Chancen nutzen Die spannende wirtschaftliche Ausgangslage zu Beginn des Jahres 2011 birgt einige Risiken, eröffnet aber auch erfolgsversprechende Chancen. Eine klare Übersicht über die Risiken und Chancen erlaubt einem Unternehmen, rechtzeitig auf Währungs- und Preisrisiken in der Beschaffungskette zu reagieren sowie allenfalls neue finanzielle und betriebswirtschaftliche Instrumente zu kombinieren. |
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Erschienen Beschaffungsmanagement • Revue de l’acheteur 11-12/10, Nov. 2010
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